Im Wald des Vergessens

Wir dokumentieren an dieser Stelle die Einlassung der Angeklagten im Berufungsverfahren wegen der Kletteraktion auf dem Dach der Brennelementefabrik vor dem Landgericht Osnabrück am 17.11.2025:

1957 verfasste Marie Luise Kaschnitz ihr Gedicht Hiroshima:

Der den Tod auf Hiroshima warf
Ging ins Kloster, läutet dort die Glocken.
Der den Tod auf Hiroshima warf
Sprang vom Stuhl in die Schlinge, erwürgte sich.
Der den Tod auf Hiroshima warf
Fiel in Wahnsinn, wehrt Gespenster ab
Hunderttausend, die ihn angehen nächtlich,
Auferstandene aus Staub für ihn.

Nichts von alledem ist wahr.
Erst vor kurzem sah ich ihn
Im Garten seines Hauses vor der Stadt.
Die Hecken waren noch jung und die Rosenbüsche zierlich.
Das wächst nicht so schnell, dass sich einer verbergen könnte
Im Wald des Vergessens. Gut zu sehen war
Das nackte Vorstadthaus, die junge Frau
Die neben ihm stand im Blumenkleid
Das kleine Mädchen an ihrer Hand
Der Knabe, der auf seinem Rücken saß
Und über seinem Kopf die Peitsche schwang.
Sehr gut erkennbar war er selbst
Vierbeinig auf dem Grasplatz, das Gesicht
Verzerrt von Lachen, weil der Photograph
Hinter der Hecke stand, das Auge der Welt.

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Von Repression ist betroffen, wer sich wehrt!

Wir dokumentieren an dieser Stelle das letzte Wort der Angeklagten im Berufungsverfahren wegen der Kletteraktion auf dem Dach der Brennelementefabrik vor dem Landgericht Osnabrück am 17.11.2025:

Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen.“ [Zitat T. Adorno]

Zu Beginn des heutigen Tages wirkte das Gericht ja beinahe erfrischend adressierbar, wenn es auch aus seiner Rolle einer Repressionsbehörde und der inhärenten Macht und Unterwerfung nicht vollends austreten konnte. Im Verlauf des Verfahrens ergaben sich jedoch einige Momente umfangreicher Fragwürdigkeit, bei denen ich meine Augenbrauen kaum fragend genug hoch ziehen kann:

  • Begonnen hat der Prozess mit der Frage, ob ich über den Tatvorwurf reden möchte – oder über §34, den rechtfertigenden Notstand: Denn wenn ich über §34 reden möchte, kann ich ja gleich die vorgeworfene Tat zugeben! Aber nein, zu einem Geständnis wollte ich mich mit diesem miesen Trick nicht überreden lassen …

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Heute Verurteilung, morgen Castor stoppen

Heute, also am Donnerstag den 20.11.25, fand am Amtsgericht in Lingen der voraussichtlich letzte Prozess wegen der Silvester-Dachbesetzung auf der Brennelementefabrik statt. Johanna wurde zu 40 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt.

Eine Person hält ein Transparent "Castor stoppen - wir stellen uns quer"Warum erst jetzt? Die Aktion Silvester 2022/2023 wird seit anderthalb Jahren immer wieder zum Thema vor dem Amtsgericht Lingen. Doch weil in einem Verfahren keine Rücksicht auf bereits gebuchten Urlaub der Angeklagten genommen worden war (und dann in Abwesenheit gegen sie entschieden worden war) hat das Landgericht Osnabrück entschieden, dass es nun nochmal von vorn beginnen musste. Daher kam es also heute zum voraussichtlich letzten Prozess dazu in Lingen. Die anderen Parallelverfahren sind zum Teils bereits rechtskräftig abgeschlossen oder werden aktuell in Osnabrück am Landgericht verhandelt.

Vor dem Gericht solidarisierten sich Menschen und wiesen auf die anstehenden Castor-Transporte hin.

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Auf der Bushaltestelle vorm Landgericht Osnabrück

Zwei Menschen sitzen an einem Tisch, vor ihnen Bücher und ein kleiner nachgebauter Casotr und lachen sich an.Und wieder ging ein Prozesstag am 17.11.2025 zu Ende. Und wieder wurde die angeklagte Person verurteilt, zwar zu weniger Tagessatzhöhe, dafür aber zu mehr Tagessätzen. 50 Tagessätze a 18,- wegen der Besetzung des Dachs der Brennelementefabrik in Lingen.

Wie es dazu kam:
Geladen waren fünf Polizeizeugis und vier Aktivistizeugis, welche mutmaßlich an der Aktion beteiligt waren. Alle konnten, bzw. wollten nichts dazu sagen, wie die angeklagte Person auf das Gelände gelangt sei und ob das Areal der Brennelementefabrik in Lingen tatsächlich komplett umfriedet war in der Silvesternacht `22/‘23. Ebenso konnte nicht geklärt werden, ob eine Versammlung der Aktivistis auf dem Gelände der Advanced Nuclear Fuels GmbH vorgelegen hat und ob die angeklagte Person denn überhaupt vor Ort war – da sich keiner der Polizeizeugen an diese erinnern konnte, bzw. nur meinte das es eine Ähnlichkeit mit den Bildern in der Akte gebe.
Wie die Verteidigung der angeklagten Person im Plädoyer darlegte, gehöre halt auch immer ein wenig „Magie“ bei so einer Aktion dazu, die dann nicht zu erklären sei und gerne so angenommen werde. Und damit dieser Zauber nicht verloren geht, müssen einige Beweise einfach angenommen werden. 😉 Weiterlesen

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17.11. Dachbesetzung vorm Landgericht

Im Hintergrund ist eine gelbe Anti-Atom-Sonne auf rotem Hintergrund zu sehen, davor fliegt ein schwarzer Vogel. In weißer Schrift ist zu lesen: "Prozess wegen Anti-Atom-Aktion - 17.11. 9 Uhr - Landgericht Osnabrück - nirgendwo.info"Am 17.11. um 9 Uhr ist vorm Landgericht Osnabrück die nächste Berufungsverhandlung in Sachen Silvester-Besetzung der Brennelementefabrik zum Jahreswechsel 2022/2023. Eine Besonderheit: Andere in dem Verfahren Angeklagte sind als Zeug*innen geladen – wir sind gespannt was das Gericht vor hat. Kommt gern vorbei und schaut es euch an!

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Oben ohne im Gericht

Bericht von einer wirklich überflüssigen, aber sehr lustigen Gerichtsverhandlung, in der die meisten Anwesenden weniger Kleidung tragen als es die Norm ist. Weil es im vorausgegangenen Strafprozess, an dem sich die aktuelle Verhandlung aufhängt, um Anti-Atom-Protest bei der Lingener Brennelemente-Fabrik gegangen war, fand die Verhandlung am 08.10.2025 am AG Lingen statt.

Figuren

  • Die Angeklagte. Soll beim Rauswurf aus einer vergangenen Verhandlung kein T-Shirt mehr angehabt haben und trägt ein kriminell gutes Outfit aus bunten Nippelstickern und einem Netzfäden-Oberteil.
  • Die Anwältin der Angeklagten.
  • Richter Dr. Iur. Von Obenherab. Urteilt mit einem sarkastischen Spruch auf den Lippen – und mit dem Holzhammer.
  • Die Staatsanwältin. Namenslose Hüterin des Apparats.
  • Polizeihauptkommissar Folgsam, Zeuge. Hat zuverlässig seinen Bericht auswendig gelernt und versichert, sein Blick habe die Brüste der Angeklagten nur aus dem peripheren Sichtfeld erfasst.
  • Richter Gesamteindruck, Zeuge. Selbst überzeugt davon, das Große und Ganze zu sehen. Erkennt eine Perücke nicht, selbst wenn sie ihm auf dem Kopf sitzt und zwinkert.
  • Wachtmeister Schnüffel, Zeuge. Ordnungsliebender Rentner mit Einsatzdrang. Hat das Amtsgericht Lingen nie so ganz verlassen und kennt jeden, der einmal zu laut gelacht hat.

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Es wird verhandelt: Oben ohne im Gericht

Auf dem Boden ist der Schatten einer Person zu sehen, welche ein Transparent hält, bei der die Worte "Shut down - auch die Repression" ausgeschnitten sind.Die Sitzungshoheit. Was für ein Wort. Es erinnert fatal an vergangene Jahrhunderte in denen „Euer Hoheit“ als Anrede noch gebräuchlicher war. Und ganz ehrlich: Gerichte erinnern immer wieder fatal an diese Zeiten mit ihrer Sprache und ihren Unterordnungsritualen.

Inbegriff eben jener Sitzungshoheit der jeweiligen Richter*innen ist auch das Recht, Menschen die vermeintlich einen Prozess stören, herauswerfen zu lassen. Stören kann dabei jede Äußerung und manchmal sogar schon ein Lachen oder ein unerwünschter Politbutton sein, denn im Grunde ist die Öffentlichkeit zwar vorgeschrieben, aber faktisch oft unerwünscht. Dass am Ende einer Verhandlung dann „Im Namen des Volkes“ geurteilt wird verdeutlicht, dass dieses Volk ein abstraktes Konstrukt ist und herzlich wenig mit den realen Menschen in dieser Gesellschaft zu tun hat. Erst Recht nicht mit denen, die sich für den konkreten Prozess interessieren.

In einem Fall am Amtsgericht Lingen sollte eine solche vermeintliche Störerin rausgeworfen werden und bat schlicht darum, nicht von Männern angefasst zu werden. Als diese Bitte missachtet wurde, entschied sie sich, ihr T-Shirt auszuziehen, was dann auch den gewünschten Effekt hatte: Es wurden Frauen hinzugerufen, die die Aktivistin aus dem Gericht beförderten. Das soll nun angeblich strafbar sein, was doch reichlich nach einer plumpen Racheaktion des Gerichts wirkt. Doch der Prozess verspricht spannend zu werden, denn bezeugen werden diesen Vorgang die damals Beteiligten, unter anderem der damalige Richter Wulftange.

Wir laden ein zur solidarischen Prozessunterstützung:

Amtsgericht Lingen, 8.10.2025, 9 Uhr, Saal Z 16

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Wollen Sie die Berufung nicht zurückziehen…?

Aus einem geöffneten hohen Fenster eines Steingebäudes schauen mehrere Menschen und halten eine Atomkraft-Nein-Danke-FahneDie Aktion an der Brennelementefabrik zum Jahreswechsel 22/23 beschäftigte jetzt bei der ersten Person auch das Landgericht Osnabrück in drei Verhandlungstagen.

Am ersten eher kurzen Verhandlungstag, der parallel zu zwei Terminen in Lingen lief, gab es keine Zeug*innen. Und denen, die am zweiten Tag erschienen, war deutlich anzumerken, dass sie nicht zum ersten Mal in dieser Sache aussagten. Sie erkannten zahlreiche Menschen, konnten aber beim besten Willen nicht sagen, woher. Bis auf einen Zeugen, der meinte, sich sicher zu sein, nicht nur den Angeklagten, sondern auch dessen Verteidiger auf dem Dach der Brennelementefabrik gesehen zu haben.

Diese Sorte „Erinnerung“ ist es, die wir sehr oft erleben bei Gerichtsverfahren. Polizist*innen erinnern sich entweder an exakt das, was sie in ihre Berichte geschrieben und zur Vorbereitung auf den Prozess nochmal gelesen haben, oder an die Personen auf der Anklagebank. Auch unter Jurist*innen ist es übrigens durchaus strittig, ob Polizeizeug*innen als „echte“ Zeug*innen zu bewerten sind. Wer sich dafür mehr interessiert, wird hier fündig.
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Klatsche fürs Lingener Amtsgericht: Anti-Atom-Aktivistin gewinnt vor Landgericht

Die Berufungsverhandlung am Landgericht Osnabrück dauerte keine halbe Stunde, das Urteil des Landgerichts fiel eindeutig aus: Die Amtsrichterin Hopster aus Lingen hätte den Einspruch der angeklagten Anti-Atom-Aktivistin nicht verwerfen dürfen.
Was war geschehen? Der Aktivistin Johanna Rehse wird vorgeworfen, sich an einer Kletteraktion auf dem Dach der Brennelementefabrik Silvester 2022-2023 beteiligt zu haben. Gegen einen Strafbefehl wegen Hausfriedensbruch legte sie Rechtsmittel ein, doch zu einer inhaltlichen Verhandlung kam es nicht. Die zuständige Richterin in LIngen nahm bei ihrer Terminierung keine Rücksicht auf einen bereits gebuchten Auslandsaufenthalt und verwarf den Einspruch. Das hätte sie, so entschied nun heute das Landgericht, nicht gedurft. Deswegen wird der ganze Vorgang nun ans Amtsgericht zurück verwiesen und dort erneut verhandelt.
Damit waren die Verhandlungen am vergangenen Dienstag also nicht die letzten in dieser Sache.
„Richterin Hopster war auch in einem Parallel-Verfahren zuständig. Dort lief es nicht viel besser als bei mir, sie hat Vorbringen von Angeklagten einfach unterbrochen und permanent gesagt, das sei „wurscht“ und war sichtlich genervt, dass die dortige Angeklagte sich verteidigen wollte. Mal sehen, bei welchem Richter* welcher Richterin mein Verfahren nun landet“, resümiert Rehse.
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Nervtage in Lingen und Osnabrück

Nicht nur wir waren Ende April genervt wegen drei paralleler Prozesstermine, sondern wohl auch die Gerichte und Polizei. Denn wir hatten beschlossen, die Einladung anzunehmen und haben Menschen eingeladen, die Prozesse zu begleiten. Direkt hinter dem Amtsgericht Lingen im Park wurde gecampt, das Gericht dann prompt Tag und Nacht von der Polizei bewacht.

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